Gestern, am frühen Sonntagnachmittag, als ich auf der Couch lag, sah ich ein Stück Torte vor mir, dunkel mit Schokostreußeln und kandierter Kirsche oben drauf. Ich schluckte. So eine Torte! Das wär´ jetzt was! Ich holte mein Fahrrad unter dem Balkon hervor, schwang mich in den Sattel und radelte in den Markt hinunter. Niemand begegnete mir. Die Kirchturmuhr zeigte halb zwei. Scheinbar saß der allgemeine Bürger sonntags um halb zwei bei Kaffee und Kuchen, weil er das geplant hatte und radelte nicht, wie ich, einem Stück Torte hinterher, weil ich nichts geplant hatte. Die Konditorei hatte geschlossen. Einziger Hoffnungsschimmer: Sie öffnete in einer halben Stunde. Also sperrte ich mein Rad ab und schlenderte auf den Marktplatz. Auch der Marktplatz war menschenleer. Ich setzte mich ins gläserne Bushäusel und wartete. Zuerst war mir langweilig. Ich betrachte meine Schuhe auf dem Pflaster, das aus großen steinernen Quadern gelegt war. In Gedanken zog ich die Fugen zwischen den Steinen nach. Sie führten mich zur Fleischerei. Daneben die Traffic. Weißer Stuck verzierte die Fassaden der Häuser. Die Kirchturmuhr. Sie schlug dreiviertel. Irgendwie hab ich die Stille auf der Bushäuselbank mehr genossen, als hinterher mein Tortenstück.
Scheiße! Das Pferd war weg! Mia rannte über die Koppel. Die Cowboystiefel waren kacke. Klar, zum Reiten hatte der kleine Absatz seine Berechtigung. Schließlich wollte Mia nicht wegen glatter Sohlen durch die Steigbügel rutschen und bei einem Sturz womöglich hängen bleiben. Aber auf der Wiese stolperte sie. Huch! Mia schlug mit dem Gesicht auf. Das Gras war warm und weich und roch – eindeutig! Okay, dachte sie resigniert. Alte Indianerweisheit: Ist die Scheiße noch am Dampfen, kann das Pferd nicht weit gelaufen sein. Das bestätigte sich, als Mia sich aufrappelte: Völlig frei – ohne Sattel und Trense – galoppierte ihre Schwester in den Sonnenuntergang. CC0 Pexels