Ich klebe eine Marke auf den Umschlag; ein Käfer mit ellenlangen Fühlern ist abgebildet. Der Alpenbock. Lächlend schiebe ich das Kuvert in den Schlitz des Postkastens und stecke die Hände in die Hosentaschen. Gestern habe ich auch einen Brief beklebt. Der Wert war gleich, das Motiv die Wachauerbahn. Mir gefällt die Vielfalt.

Gott ist wie eine Forelle - in seinem Element ungreifbar.

Ich schlendere unter der Mittagssonne. Vom Wegrand, zwischen den Gräsern, steigt mir süßer Duft entgegen. Blasslila Wiesenschaumkraut. Es muss über Nacht erblüht sein.

Ein Stück Kuchen ist wie ein Ausflug ins Paradies. Gönnt man sich´s täglich, ist´s Alltag.

Ich blättere die Post durch. Gutschein! Kommen Sie! Kaufen Sie! Minus 10 Prozent! Ich werfe die Prospekte zum Altpapier und frage mich: Ist ein Gutschein ein guter Schein, oder einer, auf dem jemand gut schreibt, wie´s scheint?

Der Kirschbaum blüht. Ich schaue den Bienen zu. Sie ringen mit dem Wind, summen rauf und runter; her hinter den wiegenden Blüten. Hoffentlich kriegen sie die Landung hin. Sonst gibt´s heuer keine Kirschen.

Mit dem Glück ist es, wie mit einem Teller, auf dem Brösel liegen. Dort und da häuft es sich.

Es schüttet. Am Fenster fliegen Vögel vorbei; schneller als gewöhnlich. Ob der Regen sie stört? Gewiss hält das Gefieder ihre Körper trocken. Vielleicht rasen sie wegen der Vogelaugen. Die sind so schutzlos. Ohne Wimpern.

Die Brille ist schon wieder schmutzig. Ich nehme sie ab und krame in der Lade nach dem Tuch. Vorsichtig reibe ich die Gläser. Das tue ich jeden Tag. Die Luft muss ganz schön dreckig sein.

Morgenrot ist wie Wasser nach dem Aufstehen, es putzt den Tag heraus.

Dürre Ranken umklammern die Mauer aus Beton - wilder Wein, immer noch in Winterstarre. Auf der Mauer liegt eine rote Haube. Ob ein Kind sie dort gelassen hat? Vielleicht schwitzte es in der Frühjahrssonne.

Mittag ist´s. Ich schaue von der Arbeit auf, raus aus dem Fenster. Am Himmel hetzen Wolkenfetzen. In der Straßenlaterne brennt sogar Licht. Ich schalte den Bildschirm aus und gehe essen. Als ich wieder komme, scheint die Sonne. Die Laterne leuchtet noch.

"Lass gut sein. Bin zu alt", erkläre ich. Mutter versteckt mein Osternest trotzdem. Widerwillig suche ich, finde einen Schokohasen und lache. Kindisch? Immer noch? Jedenfalls schmeckt der Hase.

"Mama, Mama! Die Kuh kalbt!" Mutter ließ den Kochlöffel fallen, stürzte zum Fenster und suchte mit den Augen die Weide ab. Alle Kühe fraßen friedlich. "April, April!" Ich war begeistert. Ab jetzt würde ich sie jedes Jahr in den April schicken. Die Bäume blühten, das Korn reifte, mein Cousin feierte Hochzeit, dreihundertfünfundsechzig Mal kletterte die Sonne im Osten empor und sank im Westen. "Mama, Mama! Die Kuh kalbt." Mutter lachte: "April, April! Alle Kälber sind schon da."