Ich sehe gar nichts. Also mache ich den Vorhang zu. Auf die Finsternis da draußen kann ich gut verzichten und das Vorhanggelb ist wenigstens freundlich. Traurig, heute ist der Vierundzwanzigste. In genau einem Monat schmück ich den Christbaum, singe Stille Nacht und esse Weihnachtsstollen. Ich sehne mich nach der Sonne. Dabei hatte ich gehofft, mich an den kommenden Winter zu gewöhnen.
Scheiße! Das Pferd war weg! Mia rannte über die Koppel. Die Cowboystiefel waren kacke. Klar, zum Reiten hatte der kleine Absatz seine Berechtigung. Schließlich wollte Mia nicht wegen glatter Sohlen durch die Steigbügel rutschen und bei einem Sturz womöglich hängen bleiben. Aber auf der Wiese stolperte sie. Huch! Mia schlug mit dem Gesicht auf. Das Gras war warm und weich und roch – eindeutig! Okay, dachte sie resigniert. Alte Indianerweisheit: Ist die Scheiße noch am Dampfen, kann das Pferd nicht weit gelaufen sein. Das bestätigte sich, als Mia sich aufrappelte: Völlig frei – ohne Sattel und Trense – galoppierte ihre Schwester in den Sonnenuntergang. CC0 Pexels